Beitrag zur 19. Schiffssicherheitsverordnung

Die 19. Schiffssicherheitsanpassungsverordnung – ein Angriff auf die Seenotrettung?

Im März 2020 wurde die Schiffssicherheitsverordnung geändert: Bislang waren die Sicherheitsanforderungen für Schiffe gesenkt, die zu Sport- und Freizeitzwecken eingesetzt werden, sie benötigten insb. kein Sicherheitszeugnis. Nun gilt dies nur noch für Boote, die zu Sport- oder Erholungszwecken eingesetzt werden.

Klingt banal? Ist es aber nicht. Das OVG Hamburg stellte zugunsten einer NGO und entgegen der Einschätzung des BMVI 2019 fest, dass ehrenamtliche Seenotrettung unter o.g. Freizeitzwecke fällt. Nun änderte das BMVI die Rechtslage: unter Erholungszwecke lässt sich Seenotrettung nicht fassen. Gestern erklärte das VG Hamburg aber die Festsetzung von Schiffen Mare Liberums im Eilverfahren für rechtswidrig, da schon formell bei der Änderung der Verordnung ein europäischer Notifizierungsmechanismus nicht eingehalten wurde. Die Entscheidung der Hauptsache steht noch aus.

Problematisch ist aber v.a. der materielle Inhalt der Verordnung. Die Begründung des BMVI sprach von Sicherheitsrisiken auf den Booten – Unfälle seit Beginn der Missionen 2015 konnte das BMVI aber keine nennen. Pikant ist dies, da ‚FragDenStaat‘ interne Unterlagen des BMI und BMVI veröffentlichte: ein “Lex Alan Kurdi” (S. 721) bzw. ein „Taxi-Dienst“ (so Seehofer lt. Filiz Polat, MdB) dürfe es nicht geben. Es scheint so, als solle die Seenotrettung erschwert werden, denn die neuen Anforderungen sind für die meisten NGOs nicht zu erfüllen.

Dies ruft verfassungsrechtliche Bedenken hervor: Wieso werden keine Sportboote auf dem Bodensee reguliert, wo seit 2015 dutzende Menschen starben? Wieso wurden Boote von ausschließlich dokumentierenden NGOs beschlagnahmt, so von Mare Liberum?        
 Zudem legte das BMVI keine Anhaltspunkte einer abstrakten Gefahr vor, wie aber die Rechtsgrundlage für die Verordnung in § 9 I SeeAufgG fordert.

Nicht zuletzt bleibt die Frage: Wieso sollte Seenotrettung verboten werden?    
Die Entwicklung verbreitet sich: letzte Woche wurde die Sea Watch 4 von italienischen Behörden festgesetzt – aufgrund angeblicher Sicherheitsbedenken. Sie hatte erst im August auf ihrer ersten Fahrt 350 Menschen aus dem Mittelmeer gerettet.

Weitere Infos: https://verfassungsblog.de/tag/seenotrettung/